AVR-Mikrocontroller mit Technologien von PICs
In den letzten Jahren haben wir zahlreiche Fusionen auf dem Elektronikmarkt erlebt. Während diese Ereignisse für jüngere Ingenieure oft keine emotionalen Auswirkungen haben, sorgen sich erfahrenere Elektroniker häufig um den Wettbewerb auf dem Markt und um das Schicksal von Technologien und Produktfamilien, die für den übernommenen Hersteller spezifisch waren. Es kommt jedoch auch vor, dass eine Fusion sehr interessante Vorteile bringt, wie zum Beispiel die Entwicklung kleiner AVR-Mikrocontroller, die jetzt zur Familie von Microchip gehören.
AVR-Mikrocontroller, die von Atmel produziert wurden, hatten eine große Anhängerschaft, die sie unter anderem wegen ihrer einfachen Handhabung schätzte. Besonders in Polen erfreuten sie sich großer Beliebtheit, da es umfangreiche, polnischsprachige Literatur und viele kostenlose Werkzeuge zu ihnen gab. Daher befürchteten viele Elektroniker, dass die Übernahme von Atmel durch Microchip das Ende dieser Produktfamilie bedeuten würde. In Wirklichkeit kam es jedoch anders.
Synergie
Nach der Fusion von Atmel mit Microchip entschied sich der Konzern nicht nur, die AVR-Mikrocontroller im Angebot zu behalten, sondern sie auch auf seine eigene Weise weiterzuentwickeln. Dafür nutzte er zuvor entwickelte Technologien, die bisher nur für die Mikrocontroller der PIC-Familie reserviert waren. Infolgedessen gibt es jetzt auf dem Markt nicht nur die klassischen PICs und AVRs, sondern auch neue AVRs mit Funktionen, die ursprünglich aus den PICs stammen. Dadurch entstand durch die Zusammenführung der beiden Unternehmen etwas Neues, das zuvor nicht möglich war. Eine wahre Synergie.
Neue ATTiny
Microchip hat beschlossen, die Modernisierung der AVR-Familie mit den kleinen, 8-Bit ATTiny-Mikrocontrollern zu beginnen. Die kürzlich auf den Markt gebrachten Chips bringen frischen Wind in diese Gruppe. Eine der ersten Änderungen ist die Integration von bis zu 9 Touch-Kanälen mit einem PTC (Peripheral Touch Controller) in die ATTiny816- und ATTiny817-Serien. Dies bedeutet, dass zum Bedienen von berührungsempfindlichen Tasten und Schiebereglern, die direkt an die Ports des Mikrocontrollers angeschlossen sind, lediglich die QTouch-Bibliothek verwendet werden muss, ohne dass externe Bausteine erforderlich sind.
Eine weitere Neuerung ist die Einführung des PDI (Program Debug Interface), einer zweipoligen Verbindung, die den Entwurfsprozess von Leiterplatten erleichtert. Dieser Anschluss ermöglicht das Programmieren und Debuggen von Mikrocontrollern. Bislang unterstützte keiner der ATTiny-Chips PDI. Nutzer der PIC-Mikrocontroller schätzen die Verfügbarkeit von „CIP“, also Core Independent Peripherals. Die Idee dahinter ist, dass die Peripherieschaltungen nicht nur eigenständig arbeiten, sondern auch direkt miteinander kommunizieren können, ohne die Hauptrecheneinheit zu belasten.
Diese Architektur sorgt dafür, dass das gesamte Programm schneller läuft (manchmal deutlich schneller) und gleichzeitig weniger komplex ist, was die Programmierung erleichtert. Dieser Mechanismus wurde in den neuesten ATTiny-Chips implementiert, sodass auch AVR-Programmierer nun Signale zwischen den Peripherie-Schaltungen weiterleiten können, ohne die arithmetisch-logische Einheit (ALU) zu belasten. Das ist jedoch nicht alles: Jeder der neuen Mikrocontroller verfügt über Hardware-Schnittstellen für UART/USART, I2C und SPI, was die Auswahl der Kommunikationsmethoden erheblich erweitert. Der Kern jedes dieser Chips kann mit einer Taktfrequenz von bis zu 20 MHz betrieben werden und unterstützt bis zu 6 PWM-Kanäle, die auf unabhängigen 16-Bit-Timern basieren. Darüber hinaus kann jeder Pin als externer Interrupt-Quell dienen, was die Gestaltung von PCB-Schaltplänen erleichtert. Hier kommt der CIP-Mechanismus ins Spiel, der die flexible Weiterleitung von Signalen zwischen Peripherien und Pins ermöglicht.
Alle besprochenen ATTiny-Chips wurden auch mit konfigurierbaren logischen Zellen (CCL/CLC) ausgestattet, die zuvor nur aus den PIC-Chips bekannt waren. Diese gehören zu den peripherieunabhängigen Komponenten und ermöglichen die Durchführung logischer Operationen, ohne den Kern zu beanspruchen, was deutlich schneller ist als eine softwarebasierte Lösung. Jeder der neuen ATTiny-Chips verfügt über eine solche logische Zelle, die als JK-, SR- oder D-Flip-Flop sowie als eine Kombination mehrerer logischer Gatter fungieren kann, deren Funktionen über Konfigurationsregister festgelegt werden.
Ergebnisse
Aufgrund dieser Änderungen bieten die neuen ATTiny-Mikrocontroller eine beeindruckende Leistungsfähigkeit, die in vielen Situationen sogar größere Mikrocontroller der ATMega-Familie übertreffen können. Erwähnenswert ist auch, dass die ATTiny1617-Serie pin-kompatibel mit den ATTiny817-Chips ist, jedoch doppelt so viel Flash-Speicher (16 kB) enthält. Zusätzlich bieten sie 256 B emulierten EEPROM-Speicher und 2 kB SRAM.
Zusammengefasst in Tabelle 1, weisen diese ATTiny-Mikrocontroller gemeinsame Merkmale auf, darunter:
- 8-Bit-AVR-Architektur
- Taktfrequenz bis zu 20 MHz
- Multiplexer und Demultiplexer an den Pins, die eine flexible Signalweiterleitung ermöglichen
- Eingebauter 32 kHz Oszillator
- Verfügbarer Watchdog-Timer
- 10-Bit-Analog-Digital-Wandler (ADC)
- 8-Bit-Digital-Analog-Wandler (DAC)
- Eingebautes Referenzspannungsquelle
- 9/6 PWM-Ausgänge (normale und Capture/Compare/PWM)
- Je ein UART-, SPI- und I2C-Interface
- Kein USB-, CAN-, Ethernet-, LIN- oder IrDA-Interface sowie keine parallelen Ports
- Eine konfigurierbare logische Zelle (CCL/CLC)
- Betriebstemperaturbereich von –40°C bis +105°C und bis +125°C (jeweils in zwei Temperaturversionen pro Gehäuse verfügbar)
- Versorgungsspannung von 1,8 V bis 5,5 V
- Sehr attraktives Preisniveau
Zusammenfassung
Die ATTiny-Chips sind bei der Firma Micros erhältlich, die Mikrocontroller und Entwicklungskits von Herstellern wie ST Microelectronics, Microchip, Texas Instruments, NXP, Silicon Labs und anderen anbietet.
Quelle: „Elektronika Praktyczna“ 2018/7, S. 64-66.